StartseiteArtikelButterzartes und saftiges kurzgebratenes Fleisch – geht das?

Die Frage bezieht sich darauf, ob das zu Hause geht, also selbst gemacht. Die Antwort ist natürlich „Ja“. Mehrmals habe ich die angesprochene Kategorie schon bedient: Filet Wellington, Kalbsfilet und Lammcarree. Jetzt hatte ich in diesem Fach nochmal zwei besondere Erfolgserlebnisse, die ich zum Anlass nehme, die wesentlichen Voraussetzungen für das Gelingen darzustellen. Wir hatten einmal Rinderfiletsteaks und an einem anderen Tag eine Hirschkrone im Ganzen. Für beide Rezepte mache ich noch gesonderte Posts. Heute konzentriere ich mich auf das Allgemeine und Theoretische.

Bis schließlich das göttlich Stück Fleisch auf unserer Zunge liegt, hat es schon verschiedene Phasen durchlebt. Doch Leben im eigentlichen Sinne kann man nur die erste Phase nennen – das heranwachsen des Fleisches. Wir hoffen, dass das Tier in einer natürlichen Umgebung aufgewachsen ist und gesund ernährt wurde. Das ist sehr wichtig für die Fleischqualität, liegt aber nicht direkt in unserer Hand. Wir können es nur durch unseren Einkauf etwas steuern, in dem wir die besagte Qualität anfordern. Zuletzt müssen wir aber Vertrauen in unserem Händler haben.

Sollen doch die anderen den oft angebotenen Schrott kaufen und essen: Fleisch von Viechern, die auf engsten Raum gehalten, mit Antibiotika vollgepumpt und zum Schlachten lebend durch halb Europa gekarrt wurden. Warum kann eine Partei das im Bundestagswahlkampf nicht mal sagen: „Wir wollen das nicht“. Hinterher ist der Katzenjammer groß, über die mickrigen Prozente, die man erzielt hat.

Nach dem Schlachten muss das Fleisch abhängen, also gewissermaßen nachreifen. Die traditionelle Art des Abhängens ist die Trockenreifung. Dazu wird eine ganze geschlachtete Tierhälfte, oder Teile davon, im Kühlhaus des Metzger aufgehangen – daher kommt der Begriff „Abhängen“. Heute ist aber auch eine Nassreifung sehr verbreitet. Hier wird das ausgelöste Fleischstück (Filet, Hüfte u.s.w.) direkt nach der Schlachtung in einen Plastikbeutel vakuum eingeschweißt und bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt gelagert. Auch wenn heute das Fleisch in der Metzgertheke „trocken“ ausliegt, kommt es oft aus diesen Nassbeuteln. Besonders die Supermarktketten kaufen das Fleisch für Ihre Frischetheke in dieser Form auf dem Großmarkt.

Unsere eigene aktuelle Fleisch-Quelle ist zur Zeit das Frischeparadies in Essen. Hier gibt es keine Metzgertheke, sondern man schiebt mit seinem Einkaufswagen durch ein Kühlhaus, in dem in Regalen und Kisten schlachterseitig eingebeuteltes Fleisch liegt. Lange Zeit kann man sich dort wegen der Kälte aber nicht aufhalten. Das macht es etwas schwierig seine Erfahrungen mit der neuen Art des Fleischeinkaufes zu sammeln. Bisher waren wir aber immer sehr zufrieden mit den erzielten Ergebnissen. Alles kann begrapscht werden, um z.B. die die genaue Etikettierung zu lesen: Hersteller, Schlachtbetrieb, Schlachtdatum, Mindesthaltbarkeit. Die Haltbarkeit beträgt oft vier Monate. Wir haben gute Erfahrung damit gesammelt das Fleisch 2 bis 3 Monate nach der Schlachtung zu verarbeiten. Beim Einkauf muss man es daher berücksichtigen, ob man etwas für den Sofortgebrauch sucht, oder etwas für einen späteren Gebrauch. Ein geeignetes Fach im Kühlschrank, welches eine Temperatur von 2 bis 3 Grad Celsius hat ist natürlich die Voraussetzung dafür, das Fleisch zuhause weiter reifen zu lassen.

Es muss noch gesagt werden, dass man die Päckchen im Frischeparadies so kauft, wie sie sind; man kauft also ein ganzes Rinderfilet oder kein Rinderfilet oder einen ganzen Schweinekotteletrücken oder kein Schweinekotteletrücken. Das kommt unserem Vorsatz entgegen, insgesamt weniger Fleisch zu essen, und Fleisch für die besonderen Tage vorzusehen, wo die Familie oder der Freundeskreis in größerer Runde zusammen kommt.

Für die dritte Phase nehmen wir das Fleisch mindesten 4 Stunden vor der Zubereitung aus dem Kühlschrank und lassen es die Zimmertemperatur annehmen. Beim Braten muss zuletzt im Kern des Fleischstückes eine gewisse Temperatur erreicht werden. Beim Garen muss ja die Wärme von Außen nach Innen kommen. Bei einem sehr kalten Stück Fleisch müssten die Außenbereiche des Fleisches beim Braten sehr viel mehr Wärme durchreichen, bis die notwendige Temperatur im Inneren erreicht wird. Dadurch würden die Außenbereiche und die Oberfläche stärker garen und braten, als es uns lieb ist.

Jetzt kommt endlich als viertes die heiße Phase: das Anbraten. Grundsätzlich gibt es zwei Varianten: In der Pfanne oder im Backofen. Für beides geben wir in späteren Artikeln ein Beispiel.

Phase Fünf ist das Durchgaren bei moderater Temperatur. Doch Vorsicht! richtig durch soll es ja nicht werden. Und blutig oder roh soll das Fleisch auch nicht bleiben. Es kommt also darauf an, das richtige Maß zu finden um das Fleisch auf den Punkt zu bringen. „Rosa“ oder „Medium“ sind die Begriffe, die wir im Restaurant verwenden, um die gewünschte Qualität zu bekommen. Zuhause müssen wir selbst das Fingerspitzengefühl haben. In dieser Phase entsteht im Inneren des Fleischen ein Druck, der die eingeschlossenen Flüssigkeit nach Außen drängt. Um das Austreten des Fleischsaftes nicht zu befördern, sollte das Fleisch möglichst nicht bewegt und gewendet werden. Zuletzt wird das Fleisch aber oben auf mit Fleischsaftperlen benetzt sein.

Meine Erfahrung ist, dass diese Zubereitungsphase besser und sicherer im Backofen gelingt, als in der Pfanne. Also auch, wenn man das Fleisch zunächst in der Pfanne anbrät, kommt es danach in den Backofen: Nicht zu heiß und nicht zulange. Ich schlage 150 Grad vor, doch die Dauer hängt stark von der Dicke des Fleisches ab. Näheres regelt das konkrete Rezept – doch das stimmt nicht ganz. Auch ein Rezept kann nur wage Angaben machen. Entscheidend ist die sogenannte Kerntemperatur, die zuletzt im Inneren des Fleisches erreicht wird. Hilfreich ist ein Kochthermometer, mit dem man in das Fleisch hineinstechen kann. Bisher habe ich aber nur soweit Erfahrungen damit gesammelt, dass mir das Thermometer half, das Schlimmste zu verhindern. Z.B., dass das Fleisch noch zu Roh ist (unter 50 Grad – dann kann es noch!) oder, dass das Fleisch zu trocken wird (über 65 Grad – sofort ‚raus!)

Die letzte sechste Phase ist die Entspannungsphase. Wir nehmen die Pfanne vom Herd, oder das Fleisch aus dem Ofen und lassen es verdeckt etwas ruhen. Man kann es auch in der offenen Ofentür stehen lassen. Ich empfehle wirklich 10 Minuten vorzusehen. Die Leitlinie ist, keine neue Hitze hinzuzuführen, aber vorhandene Wärme im Fleisch zu erhalten. Jetzt geht der Druck im Fleisch wieder zurück und der perlig aufliegende Fleischsaft wird vom Fleisch wieder aufgenommen. Dabei dring auch das Salz, das man ja nur äußerlich aufgebracht hat, nach innen. Nach der Ruhephase können wir das Fleisch gefahrlos anschneiden. Wir erreichen durch dieses unsere Geduld fordernde Verfahren, dass Beim Anschneiden nicht all zu viel Fleischsaft austritt und das Fleisch saftig bleibt.


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