StartseiteArtikelOchsenbacken

Vieles was wir kochen und essen, kennen wir schon aus unserer Kindheit, auch wenn sich die Vorstellungen über die richtige Zubereitung dem Zeitgeschmack angepasst haben. Ochsenbacken gehören nicht dazu. Das erste Mal haben wir sie bei Hannappel gegessen, später auch im Lucente. Der gut orientierte Zeitgenosse – wenn er kulinarisch interessiert ist – kennt sie also von Besuchen in der gehobenen Gastronomie und eher nicht als familiären Sonntags- oder Festtagsbraten.

Man neigt dazu Bäckchen zu sagen; also Ochsenbäckchen. Doch ein einzelnes Exemplar bring gute 600g auf die Wage. Man darf sich auch keinen flachen Lappen vorstellen. Es ist ein stattlicher Muskel, der beim Garen gänzlich eine fast kugelige Form annimmt. Für diejenigen die Ochsenbacken noch nicht kennen, will ich vorab erläutern, was zum Schluss auf dem Teller liegen wird: Ein dunkelbraunes, butterweiches Stück Rindfleisch, das auf der Zunge zergehen wird und nicht trocken ist, in einer ebenfalls dunkelbraunen, intensiven, dickflüssigen, fast schokoladigen Sauce. Jetzt könntet Ihr sagen, also ein typischer deutscher Sonntagsbraten (wenn er ‚mal gelingt). Interpoliert dann Eure Idealvorstellung über so einen Braten ins Unendliche hinein; dann kommt ihr der Sachen nahe.

Der Ochse hat zwei von den Backen und so haben wir sie als Pärchen eingeschweißt im Frischeparadies gekauft. Es waren zusammen fast 1300g. Mit einem anderem Kunden sind wir im eiskalten Fleisch-Kühlraum ins Gespräch gekommen; bei 2 Grad Celsius plaudert es sich so nett. Er gab uns den Tipp, dass man das Fleisch gut parieren muss, da die Backe sehr durchwachsen ist. Daher müsse man mit viel Abfall rechnen. Wenn man dann 4 Esser hat könnte die Portion knapp werden. Wir haben also 2 mal 2 Backen gekauft. Damit keine Irrtümer entstehen: Aktuell haben wir nur 2 Backen für 2 Personen zubereitet, haben den freundlichen Hinweis bzgl. Parieren nicht befolgt und haben zwei Mahlzeiten damit bestritten. (nach Wilhelm Busch: „wovon sie besonders schwärmt, wenn es wieder aufgewärmt“)

Die Backen sind wirklich sehr durchwachsen. Das sind aber keine Sehnen oder Knorpel, sondern dicke Schichten von Bindegewebe, die den Muskel gänzlich durchziehen. Wollte man diese heraustrennen, müsste man das Fleischstück grundsätzlich auseinandernehmen (so wie wir als Kinder ein Radio auseinandergenommen haben). An jeder Backe hing ein Fleischzipfel den ich abgetrennt habe (nicht als Abfall) und ich habe jede Backe in 2 gleiche Teile zerlegt. Dann hat man 4 Fleischstücke und zwei Zipfel, die man zusammen im Schmortopf gut hantieren kann; besser als 2 ganze Backen. Beim Durchschneiden kamen mir Zweifel: Das Bindegewebe setzte meinem Carbonstahlmesser erheblichen Widerstand entgegen. Kann das weich werden?

Es wurde weich. Das Bindegewebe verwandelt sich in weiche Gelatine. Entscheidend ist aber ein hinreichende Garzeit. Dann wird niemand etwas in den Mund bekommen, dass er nicht mit der Zunge zerdrücken kann. Ok, auch dieser Bindegewebeglibber mag manchem Esser nicht behagen. Das ist aber eine Frage der Menge. Kleine Gelatineschichten im Fleisch mögen als angenehm empfunden werden. Sind sie aber zu dick, stößt man vielleicht an eine Grenze. Dann muss man diese „Stellen“ auf dem Teller herauszulösen und übrig zu lassen – für den Tellerrand.

Das Fleisch wird gut gesalzen, gepfeffert und in einem Schmortopf (für den man einem gut schließenden Deckel hat) in heißem Öl angebraten. Wir wollen Röstaromen erzeugen, aber keine Brandaromen. Also muss man das Braten sorgfältig überwachen und das Fleisch immer wieder drehen. Wenn man das etwa 10 Minuten getrieben hat, tauscht man das Fleisch durch Wurzelgemüse aus. Das ist das Übliche: Zwiebeln, Möhren, Sellerie und Lauch. Zuletzt wird das Gemüse in die Mülltonne wandern. Also brauchen wir beim Kleinschneiden nicht sehr sorgfältig sein. Mit einem Holzschaber und der Feuchtigkeit, die im Gemüse steckt, versuchen wir den Bodensatz des Topfes, den das Fleischbraten erzeugt hat, zu lösen. Auch das Gemüse soll etwas anschmoren. Dann tun wir 2 Eßlöffel Tomatenmark hinzu und auch das wird mitgebraten.

Schließlich beenden wir die Bratphase in dem wir mit eine Schuss Rotwein oder Portwein ablöschen und nochmal sämtlichen Bodsensatz ablösen. Wir legen das Fleisch wieder hinein und lassen es seinen Platz zwischen dem Gemüse finden. Jetzt kommen am besten die weiteren Gewürze hinzu. Das sind zwei Lorbeerblätter, einige Nelken und ein Zweig Rosmarin. Zuletzt gießt man alles mit Portwein und Rotwein auf, sodaß das Fleisch bedeckt ist. Bei uns waren das etwa ein halber Liter Portwein und ein Liter Rotwein. Dann bei sehr schwacher Hitze und geschossenem Deckel gut 4 Stunden köcheln lassen.

Man liest oft Rezepte mit höheren Weinmengen. Durch unsern Trick, die Backen zu halbieren, kommen wir mit weniger Flüssigkeit aus, um das Fleisch zu bedecken. Siehe hier. Für die Herstellung einer ausreichenden Menge gut einreduzierter Sauce reichen uns diese eineinhalb Liter allemal. Ein anderer Punkt ist die Zeit. Ein Fehler vieler Rezepte in der Sparte „durchgegartes Fleisch“ ist es, dass die Garzeit oft viel zu knapp bemessen wird. Gerade die Bindegewebe, die wir oben angesprochen haben, brauchen ihre Zeit bei milder Hitze.

Kommen wir jetzt zum Finale. Wir nehmen das Fleisch heraus und stellen es warm. Die Sauce wird durch ein Sieb gegossen und in einer Pfanne oder in dem gehabten Schmortopf bei starker Hitze auf etwa ein Drittel seiner ursprünglichen Menge eingekocht. Dabei von vornherein einen Eßlöffel Zucker und zwei Eßlöffel Balsamico hinzugeben. Wenn man dann schließlich die Hitze reduziert, und die Sauce nur noch leicht Blasen wirft, sieht man, welche geschmeidige Konsistenz sie bekommen hat. Vermutlich schmeckt sie bereits perfekt. Sonst greift man nochmal zu Salz, Zucker oder Essig.

Die vier Fleischstücke kann man in jeweils drei Scheiben schneiden und wieder in die Sauce legen. Die zwei Zipfel natürlich auch.

Vielleicht habt Ihr selber Vorstellungen, was Ihr als Beilage essen wollt. Wir neigen dazu, nicht zu viele Dinge mit einander zu kombinieren, und pro Gang eine einzelne Sache alleine zur Geltung kommen zu lassen. Dann sind ein paar Bandnudeln das Richtige.

Und ein Backenpärchen haben wir noch in der Gefriertruhe. Wir können Weihnachten also genüsslich entgegen sehen.


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