Inneren Frieden finden, einen klaren Kopf behalten und Suppe kochen.
30 Minuten am bochumer Hauptbahnhof in denen die Zeit still zu stehen schien: Der Blogger war Dienstag vormittags zwischen 9 und 10 Uhr auf dem Weg von Essen zur Dortmunder Uni. Da ist natürlich die S1 gesetzt, doch es gibt oft eine kleine Zeitersparnis, wenn man zwischen Essen und Bochum mit einem RE oder einer RB fährt, anstatt sofort mit der S1. Also Umsteigen in Bochum. Zum Hintergrund muss man noch sagen, dass in dieser Woche eine extreme Betriebseinschränkung am essener Hauptbahnhof bestand. Dort hat man alte Bergwerk-Stollen unterhalb der Gleistrassen entdeckt. Den unterhöhlten Bereich durften die Züge nur noch im Schritttempo überfahren. Das hebelte natürlich den gesamten Fahrplan im Ruhrgebiet aus. Also musste man mit Verzögerungen und Wartezeiten rechnen.
Menschen reagieren auf so etwas unterschiedlich. Vermutlich ist es in Deutschland aber so, dass alle Hektiker und alle leicht erregbaren Zeitgenossen um 9 Uhr morgens bereits am Ort Ihrer Bestimmung sind oder sowieso schon in einer Anstalt sitzen. Es sind also nur noch die ausgeglichenen und entspannten Mitmenschen unterwegs. Diese stehen auf den Bahnsteigen herum und warten. Keine Züge! Stille! Eine Lautsprecherdurchsage: „So und so und so kommt später fällt aus!“ Das sind nicht mehr die Megaphondurchsagen der sechziger Jahre: „Schräp-Schräp-Schräp“ (Was hat der gesagt???) Heute hat man eine moderne Akustiktechnik und ausgewählte und ausgeglichene Radiostimmen. Der Ton macht die Musik. Die Verspätungsdurchsagen sorgen sogar für weitere Beruhigung: Als würden Sie mit „Om Om Om…“ zur Meditation anregen.
Ab und zu fährt doch mal ein Zug ein: „SchSCHshhSCHsch…“. Nicht nur den Durchsagen, auch den Zügen haben die Ingenieure alles Lärmhafte ausgetrieben. Das Rattern auf den Schienen, das Quietschen von Bremsen und das Röhren der Motoren. Man hat mittlerweile begriffen, dass Geräusche, die man früher als selbstverständliche Begleiterscheinungen von Mechanik begriffen hat, eigentlich ein Zeichen für „mechanisch falsch“ sind und man hat gelernt die Ursachen zu beseitigen. Der Zug fährt ein: „SCHschSCHschSCH…“. Die Türen gehen auf: „Pfff-Ft“.
Leute steigen aus, Leute steigen ein. Ich habe andere Erinnerungen, bei denen in dieser Situation die Nerven der Fahrgäste blank lagen. Jetzt ist das nicht so. Es sind zwar viele Menschen unterwegs, doch es droht keine Verstopfung. Viele Menschen laufen die Treppen ‚rauf und ‚runter und verursachen kaum Geräusche. Auch hier ist technische Optimierung der Grund. Modernes Schuhwerk ist leise. Abrollen und nicht Aufstampfen ist die Devise. Vor 10 bis 20 Jahren haben sich die jungen Leute dem Normalschuh verweigert und haben nur noch Turnschuhe getragen. Heute hat der Normalschuh den Turnschuh assimiliert und seine positive Eigenschaften übernommen.
Ja, Deutschland ist leise geworden. Ballungsgebiet Ruhr, Bochum Hauptbahnhof, Verkehrsknotenpunkt! Innere Ruhe und Zufriedenheit bemächtigt sich meiner.
Die aktuelle Gefühlslage der Nation scheint sich hier auf den bochumer Hauptbahnhof zu projizieren. Ein Wahlkampf ohne Themen! Diejenige Partei, die am meisten sagt „Ist doch alles OK. Kein Änderungsbedarf“ gewinnt Haus hoch. Durchsage Klimawandel: Berührt mich das ? Abwarten. Nichts überstürzen. Durchsage Finanz- und Bankenkrise: Berührt mich das ? „Om …“. Durchsage drohende Staatspleiten: „Om Om ..“. Ausbeutung von Leiharbeitern in Deutschland, zunehmende Jugendarbeitslosigkeit in europa’s Süden, steigende Lebensmittelpreise auf dem Weltmarkt. Die Welt fährt gegen die Wand und überall knallt es. Doch in Deutschland ist es ruhig, obwohl Deutschland der drittgrößte Waffenlieferant der Welt ist und deutsches Präzisionshandwerk bei allen Konflikten und Gemetzel auf der Welt für den schnellen Schuss sorgt.
Innere Ruhe? Wo ist die Grenze zu Lähmung und Lethargie. Eine neue Regierung wird/wurde geplant. SchSCHschSCH. Keinen Lärm machen. Keine falsche Themen anschneiden. Reibung vermeiden. Wo ist der Wutbürger? Dienstags morgens ist er nicht in Sicht. Wutbürgertum ist auch eher ein Gartenzaunphänomen und nicht etwas für die globalen „Weltfragen“. Da ist ein klarer Kopf gefragt. Und vielleicht Manifeste. Als ich am Campus Süd aus der H-Bahn stieg, fasste ich den Plan solche Manifeste herauszusuchen:
- Dieses Generationenmanifest setzt sich für die Interesse zukünftiger Generationen ein und wurde z.B. von Sarah Wiener unterzeichnet.
- Der Aufruf von Autoren Die Demokratie verteidigen im digitalem Zeitalter
- Margot Käßmann ist Schirmherrin eines Aufruf gegen Rüstungsexporte. (Aktuell gibt es auch ein Artikel von Helmut Schmidt zu dem Thema in der Zeit Nr. 51.)
- Ein Appell für den Ausstieg aus der Massentierhaltung
- Der Aufruf Stoppt Tiertransporte der östreichischen Initiative „Tier-WeGe“
- Das Manifest Globales Wirtschaftsethos
Das sei als Lesestoff für die Weihnachtstage empfohlen. Damit uns das aber nicht in eine tiefe Depression zieht, empfehle ich Suppe zu kochen.
Das menschlichen Wohlbefinden wird bekanntlich sehr stark durch die Prozesse „Nahrungsaufnahme“ und „Verdauung“ gesteuert. Das enterische Nervensystem ist das Nervensystem des Magen- und Darmtraktes. Es ist in der Lage Wohlfühlsignale direkt in den Körper zu senden, ohne den Umweg über das Gehirn zu nehmen (meine Behauptung). An den Körper senden? Sind wir jetzt in einem Otto-Sketch gelandet: „Bauch an Körper. Großhirn: Ruhe da unten“. Wenn das Hirn umgangen wird, wer ist der Adressat der Signale aus dem Magen? Die Füße? Vielleicht sollte man eher die Vorstellung haben, dass die Nervenzellen des Bauches neben den Nervenzellen des Kopfes (Gehirn) einen eigenständigen Beitrag zur Selbstwahrnehmung des Menschen beisteuern.
So hat uns die Stille eines Hauptbahnhofes auf ein philosophische Glatteis geführt: Wo lokalisiert sich die Seele des Menschen? Im Herzen, im Hirn oder im Bauch? Fakt ist, dass Suppe ziemlich unmittelbar als wohltuend wahrgenommen wird. Was Zucker und Alkohol für das Gehirn ist, ist eine Suppe für den Magen. Probiert es aus!
Eine meiner Kindheitserinnerungen ist es, dass es sonntags zum Mittagessen vor dem Braten immer eine klare Brühe mit Fadennudeln gabt. Dadurch wurde dem Sonntag eine Feierlichkeit verliehen, die uns Kindern klar machte, dass die Vorstellung sonntags z.B. auf der Straße Fußball spielen zu wollen, absurd gewesen wäre.
In der Gegenwart haben wir auch unser Suppenritual gefunden: Dieses besteht darin, dass wir oft und fast regelmäßig eine Brühe kochen, ohne dass ein konkreter Verwertungsplan vorliegt. Der lässt dann aber nicht lange auf sich warten. Im Zweifelsfalle wird die Brühe eingefroren. Dadurch haben wir jederzeit die Möglichkeit beim Kochen auf eine selbstgemachte Brühe zuzugreifen und wir können dem Brühwürfelregal im Supermarkt die kalte Schulter zeigen. Die Fernsehköche machen es uns nur zur Hälfte vor: Sie haben immer eine Brühe parat, die aber nie gekocht wird.
Hier hatten wir schon ‚mal eine Hühnerbrühe gemacht. Jetzt wollen zur Abwechslung Rinder-Mark-Knochen als Basis nehmen. 500g Knochen, eine große Zwiebel (mit Schale), eine große Möhre und ein Stück Sellerie in etwas Öl leicht anbraten. Das Gemüse wird natürlich grob zerkleinert. Dann noch die grüne Hälfte einer kleinen Lauchstange dazugeben oder einen entsprechenden Anteil einer größeren Stange. Etwas salzen und einen kleinen Esslöffel Pfefferkörner zugeben. Jetzt vielleicht 2 Liter Wasser angießen und noch 3 Lorbeerblätter hinzu tun und eine Knoblauchzehe (ungepellt und kurz angedrückt) . Aufkochen lassen und die Hitze so einstellen, dass die Brühe für 3 Stunden ganz leicht vor sich hin köcheln kann.
Danach fische ich die Knochen und das meiste von dem Gemüse mit einem Schaumlöffel heraus, bevor ich die Brühe durch ein Sieb in einen anderen Topf gieße. So ist die Brühe erst mal fertig. Welche Suppe daraus wird, ist jetzt noch offen. Eine Möglichkeit ist eine Gemüsecremesuppe. Diese definiert sich aus vier Aspekten: Gemüse, Brühe, Sahne und Mixstab.
In dieser Woche hatten wir eine Kürbiscremesuppe. Dazu nimmt man einen Hokkaidokürbis, den man heute in allen Supermärkten bekommt. Den Stielansatz abschneiden, den Kürbis halbieren und das schaumige und kernige Eingeweide mit einem Löffel entfernen. Den verbleibenden Kürbismantel inklusive der orangenen Außenhülle in grobe Stücke schneiden und in einen Suppentopf geben. Dazu kommen jetzt noch eine Zwiebel und eine Möhre (jeweils grob geschnitten), ein Walnuss großes Stück Ingwer (fein geschnitten) und eine Knoblauchzehe (dieses mal geschält). Damit es kein Babybrei wird, kommt noch eine keine getrocknete Chilischote hinein. Jetzt Öl zugeben und einheizen. Wir lassen das etwas schmoren, rühren mit dem Holzschaber darin herum und gießen die Brühe an, bevor etwas anbrennt.
Dann reduzieren wir wieder die Hitze und lassen die Suppe bei geschlossenem Deckel nicht zu stark kochen. Es dauert vielleicht eine halbe Stunde, bis Kürbis und Möhren weich sind. Dann kommt der Mixstab zum Einsatz. Dann mit Sahne verfeinern. Bei der Kürbissuppe ist der Saft einer Orange eine gute Idee. Zuletzt müssen wir in alle Richtungen abschmecken: Salz, Süße (durch den O-Saft sicher ausreichend), Säure (bestimmt etwas Zitronensaft), Bitterstoffe (Abrieb von Zitronenschale oder Orangenschale bietet sich an) und Schärfe (durch die durchpürierte Chili, ist es sicher scharf genug). Ach ja, eine Schuss Cointreau habe ich noch spendiert.
In diesen Sinne wünsche ich meinen Lesern frohe Weihnachten.
Hallo Burkhard, ach, die deutsch Bahn, was soll man dazu noch sagen. 😉 An die Sache mit dem Bergstollen erinnere ich mich leider auch noch sehr gut. Wirklich sehr lästi, Respekt, dass du so bei sowas ruhig zu bleiben scheinst, ich bin da ab und an schon eher ein „Wutbürger“. 😉
Suppen sind wirklich was Feines! Kürbissuppe hatte ich in dieser Woche auch schon – gerne gebe ich in meine etwas Kokosmilch oder Erdnussmus, das gibt einen exotischen Touch und schmeckt sehr gut! Liebe Grüße von Karla