StartseiteArtikelKöttbullar – Blogger kneift vor Selbstversuch

Das Jahr 2013 hat bei uns neben anderen Schlagworten auch den Tag (Neuwort, gesprochen Tägg, siehe hier) „Ikea“ bekommen. Das lag zum Teil an unseren Nestflüchtern, die sich mit Billy (Regal), Pax (Kleiderschrank) und Ingolf (Stuhl) versorgt haben. Hauptsächlich ist das Ikea-Jahr aber unserer neuen „Elch-Küche“ geschuldet, mit deren Planung und Realisierung wir einige Monate befasst waren.

Die Herausforderungen waren nicht gering. Eine von ihnen bestand darin von einer unausgegorenen Grobplanung zu einer Stückliste für einen Lieferauftrag zu kommen. Dass Ikea in dieser Phase unsere Nerven auf eine harte Probe gestellt hat und das Möbelhaus das Projekt beinahe verloren hätte, wollen wir nicht weiter vertiefen.

Neben der funktionalen Planung mußten auch Entscheidungen getroffen werden, die den optischen Eindruck der Küche bestimmen sollten. Eines war klar: Das Wirkungsschema „Zahnarztpraxis“ sollte vermieden werden. Die Lösung bestand darin, sich für die Fliesen im europäischen Süden umzusehen. In der Flieseninsel, ein kleiner Laden in der dattelner Innenstadt, wurden wir mit dem Modell „Alhambra“ fündig.

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Herausforderung Drei bestand in der Zeitplanung und in der Koordination mehrerer Handwerker: Maurer zum Abschlagen der alten Fliesen, Klempner zum Verlegen des Wasseranschlusses, Elektriker um endlich genug Energie in die Küche zu bringen und nochmal der Maurer zum Verlegen der neuen Fliesen. Maurer: „Ok , ich komme dann am Dienstag zum Abstemmen.“ Ich verstehe aber „Abstimmen“. Er will also zum Abstimmen kommen? „Sorry, dafür habe ich Sie doch jetzt angerufen, um alles abzustimmen.“ Erst nachdem ich den Hörer aufgelegt hatte wurde mir die Vokalverschiebung bewusst, die zur Irritation in der Kommunikation geführt hatte. Die gesetzte Zeitmarke war der Liefertermin der Küche. Bis dahin mußte alles Alte heraus und der Raum fertig für das Neue gemacht sein.

Und viertens mussten für einige Wochen alle Küchenschrankinhalte (Utensilien, usw.) irgend wie ausgelagert werden und diverse Provisorien mußten geschaffen werden: Eßplatz, Tee und Kaffee kochen, Kühlschrank, spülen. Wie lange konnte man die Möglichkeit aufrecht erhalten, in eingeschränkter Weise noch zu kochen? Welches Notgeschirr und welche Küchen-Werkzeuge mußte man sich verfügbar halten? Irgend wie haben wir uns durchgewurschtelt und insgesamt haben wir seltener den Pizzaservice bemüht und seltener außer Haus gegessen, als wir vorher angenommen hatten.

Eine positive Überraschung war der vierte Handwerker, der uns gewissermaßen von Ikea zugeteilt wurde. Dass wir dieses Mal nicht selbst wie vor 25 Jahren beim Vorgängermodell Akkuschrauber (gab es damals noch gar nicht) und Schlagbohrer anlegen wollten, war klar. Dieser Schreiner hat nicht nur schnell und präzise gearbeitet, sondern auch noch alle Planungsfehler durch Einfühlungsvermögen und Geschick zum Guten gewendet. Am Besten wäre es gewesen, mit so einem Fachmann von vorn herein die Planung abzustimmen und den Auftrag zusammenzustellen. Die Mitarbeiter, die an den Planungstheken in den Ikea-Häusern Beratung machen und die Bestellungen aufnehmen, tun zwar auch Ihr Bestes … (ach ja, das Thema wollte ich ja nicht vertiefen)

Kommen wir jetzt lieber zu den Köttbullarn. Meine Idee war es, beim nächsten Besuch im unmöglichen Möbelhaus im Ikea-Restaurant einmal die legendären Köttbullar zu essen. Doch der Mut hat mich auf dem Weg durch das Restaurant zur „Essensausgabe“ (mit heimlichen Blicken auf die Teller der schon essenden Gäste) wieder verlassen. Statt mich bei den „Warmessern“ an eine Warteschlange anzustellen habe ich dann lieber in eine Vitrine mit vorbereiteten Salattellern gegriffen. Das in Großküchen zubereitete warme Essen hat auf den Blogger selten eine Appetit anregende Wirkung. Und helle Saucen, in denen das Gemüse getränkt ist oder die mit Fleisch als Ragout angeboten werden, verstärken diesen Effekt nur noch.

Längst hatte ich beschlossen selbst einmal Köttbullar zu kochen und darüber zu schreiben. Was würde mir der Selbstversuch dabei nützen? Was wollte ich denn beweisen? Dass ich recht habe, und die Qualität von Kantinengekochtem grottenschlecht ist und ich es selber viel besser machen kann. Oder dass ich jahrelang einem Irrglauben aufgesessen bin und die Ikea-Kantine mein nächster Restauranttip wird. Lieber wollte ich unvoreingenommen eine eigene Interpretation des Gerichtes finden und dazu auf das Sammelsurium von Anregungen aus dem Internet zurückgreifen.

Wie kann man das Gericht beschreiben? Gebratene Gehacktesbällchen in einer hellen Sauce werden zu Kartoffeln oder Kartoffelpüree und einer zusätzlichen kalten Preiselbeersauce serviert.

Als Erstes kann die Preiselbeersauce angerührt werden. Dafür greife ich auf ein Rezept zurück, das sich schon bei anderen Gelegenheiten bewährt hat: Weihnachtspute, kalte Putenbrust. Die Basis ist ein kleines Glas Preiselbeerkompott (fertig gekauft). Dazu kommt eine große Schalotte (oder mehrere kleinere Schalotten) , die wir möglichst klein würfeln, und zwei Eßlöffel Senf. Sehr gut macht sich ein Eßlöffel Rotwein und etwas Abrieb von einer Zitrone. Das war es schon. Statt die Zitrone zu reiben, kann man auch mit einem Messer hauchfein etwas von der Zitronenoberfläche abschälen, und auf dem Küchenbrett feinwiegen. Zur Zeit liebe ich das Zitronenschalenaroma und die Supermärkte kommen mir entgegen und bieten vermehrt die Zitronen mit verzehrbarer Schale an.

Jetzt mischen wir das Gehackte an. Wir haben 500g halb Rind und halb Schwein beim Metzger gekauft.Wir weichen zwei Hände voll getrockneter Weißbrotreste in etwas Milch ein. Das kann 1 bis 2 Stunden durchziehen. Ab und zu kann man ‚mal mit der Gabel durchrühren und große Brocken zerdrücken. Man findet manchmal die Anleitung, das eingelegte Brot zuletzt auszudrücken. Das halte ich aber für falsch. Etwas zusätzliche Flüssigkeit kann der Fleischteig gut verkraften. Idealerweise haben wir einen schleimigen Brotbrei erzeugt. Dieser Pamp wird den Fleischkloß in einen Gaumenfreund verwandeln.

Dann eine mittelgroße Zwiebel kleinschneiden und in etwas Öl einige Minuten anschwitzen und zum Abkühlen bei Seite stellen. Danach geben wir die Zwiebeln und auch ein Ei in den Brotteig. Gemessen an den 500g Gehacktes können wir schon mal einen halben Teelöffel Salz hinzutun. Was brauchen wir sonst noch an Gewürz? Ich lese von einer schwedischen Gewürzmischung Piffi was alles mögliche enthält und ich lese sonst noch alles mögliche. Ich entscheide mich folgende Dinge, die ich nicht als Pulver habe, im Mörser zu zerkleinern: einen Pimentkorn, eine Gewürznelke, fünf Korianderkörner, ein kleines Stück von einer Muskatnuss und einige Pfefferkörner. Dieses Pulver und etwas Chilipulver gebe ich zur Brot-Zwiebel-Ei-Mischung.

Erst dann gebe ich das Gehackte hinzu und vermenge es gut. Wir schmecken nochmal mit Salz und Pfeffer ab. Das ist vielleicht etwas schwierig, weil man ja den rohen Fleischteig probieren muss. Meine Erfahrung ist, dass der rohe Teig bezüglich Salz und Pfeffer kräftig schmecken muss, damit der gegarte Fleischkloß nicht zu laff wird. Die anderen Gewürze kann man eigentlich nicht wirklich abschmecken. Hier sollen sie auch nur eine dezente Hintergrundnote bilden. Und ob hier Koriander, Nelke u.s.w. jeweils richtig oder falsch, notwendig oder unerheblich waren, wer kann das genau sagen? Wir formen die Klöße mit nassen Händen und sammeln sie zunächst auf einem Teller.

Jetzt wenden wird uns aber erstmal den Kartoffeln zu. Wie man ein Kartoffelpüree herstellt habe ich hier bereits beschrieben. Ich erinnere nur noch ‚mal an die Fehler die man nicht machen darf: nicht sofort die kalte Milch unterstampfen sondern sie zunächst heiß werden lassen und nicht Stampfen durch Rühren ersetzen.

Wenn die Kartoffeln aufgesetzt sind, können wir auch mit dem Anbraten der Klöße beginnen, was wir in Butter in einer Teflonpfanne machen. Nach und nach drehen wir die Klöße vorsichtig, damit sie rund um braun werden und nicht zerbrechen. Dabei entstehen ordentlich Brataromen, doch wir müssen vorsichtig sein, damit die Butter nicht verbrennt. Zuerst sorgt das in der Butter enthaltene Wasser dafür, dass die Temperatur auf 100 Grad (Siedepunkt) begrenzt ist. Dann kommen die Klöße hinein, die erstmal für Abkühlung sorgen. Aus den Klößen tritt wieder neues Wasser hervor, was uns weiter die Temperaturkontrolle ermöglicht: Solange es in der Pfanne sprudelt, ist Wasser im Spiel und somit die Temperatur begrenzt. Nach 10 Minuten sind die Klöße rundum angebraten und abgebunden. Dann reduzieren wir die Hitzezufuhr und legen einen Deckel auf. Nach 5 Minuten gießen wir einen Töpfchen (200 ml) Sahne an und legen den Deckel noch mal für 10 Minuten auf. Zuletzt lassen wir wieder ohne Deckel die Sahne etwas einkochen. Wir versuchen das Bratfett gut in die Sahne einzurühren. Mehr, als die Sauce mit Salz und Zucker richtig abzuschmecken muß man nicht machen. Es wird ein Knaller sein.

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Betrachten wir nun das Gesamtergebnis. Es hat etwas pralinenhaftes: Trüffel aus einem zartem Fleischteig in einer intensiven, cremigen Sahnesauce, dazu eine kalte fruchtige Süßigkeit und alles zusammen an einem buttrigen Kartoffelpüree.

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