Huhn in Morchelrahm
Kann man das noch machen? Eine gut einreduzierte Sahne-Sauce? Ach, was soll es. Grabenkrieg war gestern. Und neue Leichtigkeit machen wir wieder morgen. In den achtziger Jahren haben wir diese Art Saucen in einem kleinen Restaurant in der Ulandstraße in Berlin kennengelernt. Das Restaurant hieß „Le Petit Joe“ und die Sahne-Saucen waren für uns die Highlights . Z.B. zu Weinbergschnecken oder zu kleinen Kalbsrouladen. Die Portionen waren klein, aber von der Sauce war reichlich auf dem Teller. Da haben wir also auch das Stippen mit gebrochenem Baguette gelernt. Und in den gleichen Jahren haben wir von Wolfram Siebeck gelernt, wie man solche Sahne-Saucen herstellt. Nämlich einen Sud, Fond oder Bratensatz unter Zugabe von Sherry oder Cognac einkochen und einkochen und einkochen. Dann nach und nach Sahne hinzugeben, einkochen, weitere Sahne, einkochen und wieder Sahne u.s.w. Natürlich abschmecken mit Salz, Zitrone, Pfeffer.
In dieser Zeit haben wir auch erstmals eine Morchelrahm-Sauce selbst zubereitet. Die 6. Etage im KaDeWe beherbergte die Lebensmittelabteilung und die war damals das Tor zur Welt für jeden kulinarisch interessierten Berliner und Wahlberliner. Ein kleines Schächtelchen getrockneter Spitzmorchel kostete etwa 30 DM. Jetzt bekommt man sie auch in Essen in gut sortierten Supermärkten und sie sind auch billiger. Wirklich billig sind sie aber immer noch nicht. Man muss jedoch bedenken, dass die Morcheln kleine Geschmacksbomben sind, die sehr viel Aroma an die Sauce abgeben. Und beißt man in eine mit Sauce vollgesogene Morchel, so ist ein besonderer Genuss garantiert. Man wird den Griff in den Geldbeutel nicht bereuen.
Üblicher Weise ist ein Hühnergericht bei mir ein Eintopf, bei dem Sauce und Fleisch zusammen zubereitet werden: Während das Fleisch gart, entsteht im gleichen Topf die Sauce. Für dieses Gericht ist mir das zu plump. Sauce und Fleisch sollen ihre eigene Aufmerksamkeit bekommen. Die Sauce wird separat hergestellt. Ich brauche dafür aber einen Fond. In die fertige Sauce, in der auch schon die Morcheln sind, kommt zum Schluss noch das parallel zubereitete Fleisch ohne Haut und Knochen hinein. Also zerteile ich das Huhn in Teile, die Fleischlieferanten sind, und Teile, aus denen ich den Fond mache.
Am Abend vorher braust man die Morchel ab und weicht sie in reichlich Wasser ein. Am nächsten Tag gehen die Vorbereitungen weiter, in dem das Huhn zerlegt und der Fond angesetzt wird. Keulen und Flügel trenne ich als Ganzes ab und die beiden Brustfilets werden vom Knochen abgelöst. Jeweils bleibt die Haut als Schutz an den Fleischteilen. Der Rest des Huhn wird für den Fond genutzt und grob zerkleinert. Von den Flügeln schneide ich noch das Äußerste von den 3 Glieder ab und tue sie zu den anderen Knochenteilen. Diese kommen in einen Schmortopf und werden in etwas Öl angebraten. Dazu geben wir kleingeschnittenes Wurzelgemüse, nämlich Zwiebel, Möhre und etwas Sellerie. Salzen. Je nach dem, wie stark sich ein Bratensatz ansetzt, mit einem Schluck Wasser ablöschen, wieder einkochen lassen und weiter braten. Einen Teelöffel Tomatenmark zugeben und mitschmoren. Etwa nach einer Viertel Stunde die Phase des Anbratens beenden, in dem alles mit Wasser aufgegossen wird und die Hitze reduziert wird. An Gewürzen nehme ich noch Lorbeer und ganze Pfefferkörner und an Gemüse kann man noch etwas Lauch und einige Champignons dazugeben. Das Ganze kann etwa 2 Stunden lang leicht vor sich hin köcheln.
Dann alle groben Teil herausfischen und den Rest durch ein Sieb geben um den Fond in einem neuen Topf aufzufangen. Den Fond weiter köcheln lassen, damit er konzentrierter wird. In dieser Zeit wendet man sich den Hühnertrümmern zu. Die Fleischfitzel, die man überall noch ablösen kann, sind gar nicht zu verachten. Für unser Gericht benutzen wir sie aber nicht. Vielleicht ersteinmal nur in ein Töpfchen tun und in den Kühlschrank stellen. Solange das Huhn noch warm ist, löst sich das Fleisch am besten vom Knochen. Und wer die Fleischreste gleich in den Mund schieb, oder das Fleisch direkt vom Knochen abnagt, hat meinen Segen dazu. Nach der Beschäftigung mit dem Fleischresten gieße ich den Fond in eine Tasse. Mehr ist mir gar nicht verblieben. Ich lasse das etwas abkühlen, wobei sich oben auf das Fett absetzt. Bevor man dann den Fond verwendet, kann man leicht den größten Teil des Fettes abschöpfen.
Bevor es gleich wirklich mit der Fleisch- und Saucen-Zubereitung losgeht, werden die weichen Morchelhütchen aus dem Einweichwasser herausgefischt und nochmal abgebraust. Das Ziel ist, den Sand, der sich in den Falten und Kammern der Morcheln versteckt, herauszuspülen. Den Einweichsud brauchen wir für die Sauce. Mit einer Kelle schöpfen wir den klaren braunen Sud heraus, dürfen aber den sandigen Bodensatz nicht aufzuwirbeln. Also Vorsicht, mit Gefühl. Den Rest großzügig wegschütten.
Jetzt geht es dann wirklich los. Keulen und Flügel werden gesalzen, in eine Form gelegt und für 1 Stunde bei 200 Grad in den Backofen gestellt. Eine viertel Stunde vor Ende diese Garzeit reduziere ich die Temperatur auf 150 Grad und legen noch die gesalzenen Brusthälften oben drauf. An den Innenseiten der Brüste ist nochmal ein kleineres Filet, das man kaum daran hindern kann, sich ganz von der Brust zu lösen. Nur an einer Seite bleibt es hängen. Ich habe es vorher abgeschnitten, weil die Brust sonst zu dick ist. Während das Fleisch im Ofen ist, kann ich mich um die Morcheln und die Sauce kümmern. In einer Pfanne werden die Morcheln in Butter angeschmort. Dazu gebe ich die beiden abgezweigten Filets. Aufpassen, dass die Butter nicht braun wird. Jetzt kommt nach und nach Flüssigkeit hinzu, die bei starker Hitze zunehmend konzentrierter wird. Die Filets nehmen wir aber heraus. Für die letzten 10 Minuten kommen Sie in die Sauce zurück und können dann sanft garen. Die Saucenherstellung beginnen wir mit Sherry, dann den Morchelsud und schließlich den hergestellten Fond. Dann fahren wir mit der Sahne fort. Wieder nach und nach und immer weiter einkochen lassen. So nimmt die Sauce Gestalt an. Wir schmecken ab: Salz, vielleicht auch etwas Zucker, Pfeffer, Zitrone. Vielleicht nochmal Sherry oder einen Schluck Cognac. Ein 200ml Sahnetöpfchen ist jetzt schon verbraucht. Doch ein zweites Töpfchen habe ich bereit und ab und zu gebe ich noch einen Nachschlag.
Wenn das Fleisch aus dem Ofen kommt, wird die Haut entfernt und die Knochen ausgelöst. Das Fleisch wird aber nicht kleigeschnitten, wie bei einem Ragout. Vermutlich habe ich 4 große Brocken pro Keule. Die Brust wird in vergleichbar große Stücke geteilt, also vielleicht auch 4 Stücke pro Brusthälfte. Das Fleisch kommt in die fertige Sauce und wird serviert. Mit den beiden Sonderfilets sind das schätzungsweise 18 Fleischstücke. Wenn ich genug Fleisch habe, lasse ich die Flügelteile aus. Die beinhalten zwar noch einige Stränge von sehr zartem Muskelfleisch, doch will ich mir jetzt die Arbeit nicht machen diese auszupulen. Außerdem will ich nicht so viele Kleinteile in der Sauce haben. Es soll ja kein Hühnerfrikassee werden. Bei der Resteverwertung ist mir das Gekröse aber willkommen.
Wir fanden, dass hierzu speziell 2 bis 3 cm große Muschelnudeln passten.
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