Una furtiva lagrima und Fegato Veneziano
Im Auge eine verstohlene Träne! Ach ja – die Erinnerung!
Durch ein halboffenes Küchenfenster dringt Opernmusik in den winzigen Innenhof eines kleinen Restaurants. Unter der Begleitung von La donna é mobile wird drinnen unser Essen vorbereitet. Wir haben bestellt: Tortellinis mit Käse-Sahne-Sauce als Vorspeise und Fegato Veniziano als Hauptgericht. Wir sind in Venedig und wir sind in der Vergangenheit – im Jahre 1984.
„Oh, so launisch sind die Frauen.“ So ähnlich kann man das Lied aus der Oper Rigoletto von Guiseppe Verdi übersetzen. Um die Stimmung einzufangen, habe ich diesen Youtube-Clip eingebettet.
Der Interpret der Arie ist der berühmte italienische Tenor des frühen 20-sten Jahrhunderts Enrico Caruso. Sein Name ist in der Geschichtsschreibung eng mit der Frühzeit der Schallplatte verbunden.
Ich erinnere mich, dass wir uns mit letzter Kraft in die Parallelwelt dieses Restaurants gerettet hatten – abseits vom Trubel rund um dem Markusplatz und der Rialtobrücke mit dem Touristenbetrieb und all den Fressbuden. Der Weg war ein Prozess aus Flüchten (vor der Touristenabfütterung), aus Suchen (wonach eigentlich? Das wahre Venedig vermutlich!) und Irren (Gassen, Winkel). Als wir dann gänzlich die Orientierung verloren hatten, entdeckten wir dieses Restaurant, wie Harry Potter den Raum der Wünsche entdeckt hat.
Fegato Veniziano ist Kalbsleber mit Zwiebeln und Salbei. Dazu wurden Polenta-Schnittchen gereicht. Alles war von ausgezeichneter Qualität und es ist uns als ein anzustrebendes Ideal in Erinnerung geblieben. War das Wirklichkeit oder ein Traum. Oder waren wir in einen Film geraten? Beim Hören dieser sogenannten Glöckchenarie (Bell-Song) kann leicht so ein Film im Kopf entstehen.
Hier sing Maria Callas und das Stück ist aus der Oper Lakmé von dem französischen Komponisten Léo Delibes.
Polenta wird aus Maisgrieß gemacht. Sie wird am Besten schon mittags als Grießbrei vorbereitet, damit sie auskühlen kann. Vielleicht steht auf der Maisgrießpackung eine Kochanleitung. Bei uns war das nicht der Fall. Aus einem Kochbuch haben wir folgendes Vorgehen und die Mengenverhältnisse entnommen. 1 1/4 Liter Wasser werden zum Sieden gebracht und mit 1 1/2 Teelöffel Salz gesalzen. Darin werden 300g Maisgrieß eingerührt. Dabei sieht man zu, dass keine Klumpen entstehen. Das soll man dann 3/4 Stunde köcheln lassen und gelegentlich umrühren. Das ist leicht daher gesagt. Nach kurzer Zeit haben wir einen Brei im Topf der Blasen wirft – also „blub“ macht und Substanz ausspuckt. Also den Topf erst mal von der Herdplatte herunternehmen. Für die vorgesehenen Kochzeit wechsele ich dann immer wieder zwischen „Deckel drauf und ruhen lassen“ und „Hitze zufügen und umrühren“.
Abends schneidet man den steifen Pudding im Topf in vier Teile. Diese kann man dann einfach herausnehmen und auf dem Brett in 2cm dicke Scheiben schneiden. In einer Pfanne werden die Scheiben (oder ein Teil der Scheiben) in etwas Fett leicht angebraten. Es dauert vielleicht 10 Minuten bis die Schnitten wieder durchgehend heiß sind. Dabei sollen sie aber nur eine leicht gefärbte Oberfläche bekommen und nicht verbrennen.
Für das Fegato habe ich 500g Kalbsleber gekauft. Leber muss sehr frisch verarbeitet werden und darf nicht tagelang beim Metzger oder bei Dir zuhause im Kühlschrank liegen. Außerdem brauche ich vielleicht 3 große Zwiebeln, die halbiert in hauchfeine Scheiben geschnitten werden und als frische Kräuter Salbei und Petersilie. Das Schneiden der Zwiebeln kann ich als erstes machen, damit ich sie in einer zweiten Pfanne (in der erste kommt ja die Polenta) oder einem flachen Schmortopf in halb Butter, halb Olivenöl anschwitzen kann. Die Leber selbst ist ja ruck-zuck gar und darf nicht zu lange schmoren. Sonst wird sie zu hart und zu trocken. Das wird der letzte Schritt sein, die Leber unter Einsatz unserer vollen Aufmerksamkeit auf den Punkt zu bringen.
Die Kräuter werden abgezupft und klein geschnitten. Vielleicht habe ich eine gute Hand voll. Um jetzt zum Ende zu kommen, gebe ich die Kräuter zu den Zwiebeln, gebe noch einen guten Schluck Olivenöl dazu und erhöhe wieder die Temperatur, um die Leber anzubraten. Diese wurde vorher in etwa 1cm breite Streifen geschnitten. Wenn das Fett heiß ist, gebe ich die Leber hinein. Jetzt salze ich und mahle etwas Pfeffer darüber. Wie stark man die Leber brät und durchgaren läßt ist natürlich eine Geschmackssache. Zu rohe Leber stößt vielleicht auf Abneigung. Aber schnell wird die Leber auch fest und trocken. Also muss man den richtigen Zeitpunkt finden, um den Topf vom Herd zu ziehen und das Essen zu servieren.
Jetzt hören wir noch „Una furtiva lagrima“ aus dem Liebestrank von Gaetano Donizetti.
Der österreichische Sänger Joseph Schmidt war um 1930 ein beliebter Opernsänger in Deutschland. Er wurde als Jude von den Nazis verfolgt und starb 1942 in der Schweiz im Lager Girenbad, wo er auf seinen Asylbescheid warten musste.
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